Expertenbeiträge
 
Personalführung bei China-Projekten - Die richtigen Mittel wählen und den adäquaten Umgang mit chinesischen Mitarbeitern finden
Autor: Joanne Huang
 
Projektarbeit, die häufig international durchgeführt wird, ist in zahlreichen Unternehmen Arbeitsalltag. Die größte Herausforderung bei einer guten Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern ist weder die Sprache noch das Fachwissen, sondern meist die Annäherung von verschiedener Arbeitsmentalität und Denkweise. Was im Vorfeld eines bilateral zu meisternden Projekts zu beachten ist, erfahren Sie hier.

Ob in Deutschland oder China, jeder hat sein gewohntes Arbeitsumfeld, das vom eigenen Arbeitsrhythmus, eigenen Spielregeln und Vorgehensweisen geprägt ist und von den Beteiligten als selbstverständlich wahrgenommen wird. Im internationalen Projektalltag schleichen sich kulturbedingte Missverständnisse und ein gewisser Unmut oft ganz unauffällig ein. Zu einem späteren Zeitpunkt kommt dies bei sachlichen Konfrontationen ans Tageslicht.

Entscheidend für Ihren Erfolg ist die Zusammenarbeit mit Ihren Mitarbeitern im Gastland. Führungskräfte, die schon im Ausland waren, können Ihnen wichtige Tipps mit auf den Weg geben. Dazu wurden Führungskräfte in einem internationalen Konzern befragt und einige ihrer Aussagen sind hier wiedergegeben.

Was ist zu beachten, um eine gute Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Chinesen zu gewährleisten und solch ein multinationales Team erfolgreich zu führen? Besondere Aufmerksamkeit sollte der Hierarchie im Team, der Festlegung der Teamregeln, der Vermittlung der (Firmen-)Werte, sowie dem Aufbau der Vertrautheit zwischen den Teammitgliedern geschenkt werden.

Fotoquelle: Joanne Huang

Hierarchie im Team

Wer mit Chinesen erfolgreich arbeiten möchte, muss sich über das hierarchische System Chinas kundig machen. Die Erwartungshaltung der Chinesen spiegelt sich aufgrund dieser Hierarchie unmittelbar in deren Verhaltensmuster wider. Ein Beispiel ist die Zusammenstellung eines deutsch-chinesischen Projektteams. In Deutschland übernimmt jemand die Leitung aufgrund von Fachkompetenz, in China leitet der Ranghöchste. Genau hier besteht ein möglicher Reibungspunkt. Sollte sich daher die Team-Koordination als schwierig erweisen, könnte da der Grund liegen.

Chinesen erwarten von der deutschen Projektleitung unter anderem klare und deutliche Anweisungen über Projektziel, Arbeits- und Verantwortungsbereiche und Vorgehensweisen bei möglichen Ausnahmesituationen, insbesondere bei Konfliktfällen. Der Leiter sollte außerdem seine Erwartungen dem Team gegenüber äußern. Konkret heißt das, auch wenn man selbst nur ungern die Chefrolle übernimmt, sollte man doch gegebenenfalls ein Machtwort sprechen können.

Teamregeln festlegen

Im zweiten Schritt sollte sich das gesamte Team über die Spielregeln einigen. Dies bezieht sich nicht nur auf sachliche Themen, sondern auch auf Dinge, die für Deutsche selbstverständlich sind, wie zum Beispiel die Toleranzgrenze bei einem verspäteten Termin, selbstständige Meldung von Unregelmäßigkeiten, Rückmeldungsmöglichkeiten und die richtige Zeit, um über Ideen, Probleme oder Hindernisse zu reden. Wie sollte die Belohnung bei guter Leistung aussehen? Welche Konsequenzen entstehen im Fall des Scheiterns oder des Verzugs eines Projekts?

Ein Teamabkommen sorgt für Disziplin, mit der sich alle Beteiligten einverstanden erklären, und nach der sich alle gemeinsam richten. Im Fall der Nicht-Einhaltung lässt sich dann der Sachverhalt, und die dafür verantwortliche Person leichter feststellen. Ein etwaiger Gesichtsverlust spielt dabei im Zusammenhang mit einer Pflichtverletzung keine Rolle. In der Regel toleriert eine chinesische Geschäfts- und Projektleitung offiziell einen kleinen Fehler. Inoffiziell ist dies für den Betroffenen bereits eine unangenehme Mahnung, aber zugleich auch eine zweite Chance.

Werte vermitteln und sich annähern

Hierarchie und Teamregeln verlieren ihren Wert, wenn sie nicht überzeugend sind. Dazu sind gewisse Methoden notwendig. Es ist nicht so, dass Deutsche völlig andere Werte als Chinesen haben. Aber in China herrscht insgeheim die Meinung, dass Deutsche bei Geschäften "(eis-)kalt" seien. Gemeint ist damit, dass Deutsche stets sachlich handeln und anscheinend keinerlei Rücksicht auf die Arbeitsbeziehung zwischen den Partnern und Kollegen nehmen. Dieses Vorurteil hat natürlich Folgen und resultiert in geringer Loyalität, da Chinesen die persönliche Beziehung als Grundlage gegenseitiger Verpflichtungen betrachten.
Es lohnt sich, chinesischen Mitarbeitern deutsche (Firmen-)Werte und Moral zu vermitteln, um sie in die Firma einzubinden. "Die Sprache der Moral" ist eine für alle Chinesen verständliche Sprache. Außerdem hilft ihnen diese Wertevermittlung, die deutschen Kollegen besser zu verstehen, sich in der Arbeit besser zu orientieren und sogar eine gewisse Eigenverantwortung in der Firma zu übernehmen.

Die Konfliktbereiche aufgrund unterschiedlicher Wahrnehmungen wie zum Beispiel Arbeits- und Produktqualität müssen ernst genommen werden. Deutsche haben hier sicherlich hohe Ansprüche. Das heißt aber nicht, dass Chinesen nicht ebenfalls qualitativ hochwertig arbeiten können. Das Problem liegt oft darin, dass sie nicht genau wissen, was die deutschen Kollegen erwarten. Die Lebensbedingungen vor Ort und die Arbeitserfahrung der Einzelnen beeinflussen zusätzlich die Einstellung der chinesischen Mitarbeiter. Die daraus entstehenden Reibungspunkte beeinträchtigen die Arbeitsatmosphäre. Eine Annäherung von Mentalität und Denkweisen in der Arbeit hat daher einen hohen Stellenwert. Dazu ist die "On-The-Job-Schulung" wirkungsvoll, bei der die Chinesen beispielsweise die Erzeugnisse anfassen, die Arbeitsvorgänge mit eigenen Augen sehen können und ihre Fragen sofort beantwortet werden. In der Regel lernen Chinesen tatsächlich schneller, wenn sie unter Aufsicht assistieren.

in weiterer Vorteil dabei ist, dass sich die Anforderungen und Erwartungen der deutschen Projektleitung dadurch mühelos vermitteln lassen. Mit Lob darf man hier nicht sparen. Fehler, die bei den Vorgängen beobachtet werden, sollten im Gegenteil ohne großes Aufsehen korrigiert werden.

Vertrautheit im Team aufbauen

Das Kennenlernen ist in China eine gute Methode, um Teamgefühl zu wecken. Der erste Schritt ist, zwischen den Teammitgliedern eine gewisse Vertrautheit zu schaffen, damit sie bei der Projektabwicklung besser miteinander kommunizieren und sich abstimmen. Die konkrete Maßnahme besteht darin, gleich am Anfang der Zusammenarbeit die Arbeitsweisen der anderen Teammitglieder genau zu beobachten, zum Beispiel wie schnell und korrekt sie arbeiten. Diese Kenntnis ermöglicht ein zeitnahes Controlling und eine schnelle Reaktion auf bestimmte Gegebenheiten, was für die Projektleitung enorm wichtig ist. Umgekehrt beobachten Chinesen auch genau die Arbeitsweise der Deutschen.

Ein weiterer Schritt ist die Schaffung eines gemeinschaftlichen Wir-Gefühls. Dabei ist wichtig, dass alle Mitglieder die Gelegenheit erhalten, sich ungezwungen auch über sachfremde Themen miteinander zu unterhalten. Die Mittel dazu sind einfach, aber vielfältig. Am Anfang steht am besten der Small Talk, bei dem man gegenseitig ein wenig von sich selbst preisgibt. Das lässt sich ausweiten, zum Beispiel während einer gemeinsamen Kaffee- oder Zigarettenpause, einer Bierrunde, einer Sportaktivität und ähnlichem. In China wird dies "interaktive Partnerschaft" genannt. Darauf legen Chinesen viel Wert, und sie erwarten auch von ihren deutschen Partnern solch ein "interaktives Vorgehen". Wenn erst einmal eine gewisse Vertrautheit herrscht, sind Chinesen eher bereit, anderen gegenüber offen zu sein. Das führt zugleich zu einer moralischen Bindung bei Zusagen und zur individuellen Verantwortung der Gruppe gegenüber.

Fazit:

"Macht man anfangs alles richtig, erspart man sich später Ärger!" Das ist eine gute Arbeitseinstellung der Deutschen. Genauso lässt sich dieses Prinzip auf das Kulturmanagement in der globalen Projektausführung übertragen. Je genauer man anfangs die Details beachtet, desto leichter ist es später, das Projektteam zu führen. Außerdem gibt es im interkulturellen Zusammenleben keine Leitkultur; wünschenswert ist vielmehr eine neue, von beiden Parteien gemeinsam ausgehandelte "Miteinander-Kultur". Nur so ist eine nachhaltige Zusammenarbeit zu gewährleisten.

Weitere Expertenbeiträge:
* Authentizität: Die fünf psychologischen Ebenen einer Führungspersönlichkeit (Jörg Kolitsch) - Persönliche Weiterentwicklung
* Verständigungshindernisse trotz internationalen Produktionsstandard (Joanne Huang) - Verständigung

Startseite
Expertenbeiträge
Weiterbildung & Kontakt
Lernwerkstatt-Online